Dienstag, 21. August 2012

Arequipa, die weiße Stadt

Es ist 07:05 Uhr und ich sitze gut verpackt am Flughafen der Andenmetropole Arequipa. Hinter mir liegen vier Tage Kurzurlaub mit Marcela, Giancarlo und Fabian bei Marcelas Onkel (Tío Coco, seinen richtigen Namen kenne ich nicht) in der zweitgrößten Stadt Peru. Ich reise früher als die anderen zurück, da heute die erste Woche der Vorlesungen beginnt und ich den Anschluss nicht verpassen will. Mein Flieger nach Lima geht erst in gut einer Stunde, also habe ich noch ein bisschen Zeit um euch meine Eindrücke der vergangenen Tage zu schildern!

 Hightech-Anzeige am Flughafen Lima

Rollfeld in Arequipa, auf dem Weg zu meinem Flieger

 "Panoramaansicht" des Flughafens Arequipa (ja, das ist alles xD)


Momentan befinde ich mich ca. auf 2.600m Höhe ü.NN., die Stadt liegt in einem Talkessel der Anden. Auch wenn Arequipa ca. eine dreiviertel Million Einwohner hat (749.291, damit wäre sie die fünftgrößte Stadt Deutschlands nach Berlin, Hamburg, München und Köln) ist der Flughafen winzig und den Einwohnern wird nachgesagt, an einer chronischen Mischung aus Neid, Stolz und Minderwertigkeitskomplexen zu leiden. Für die Arequipeñer ist Unabhängigkeit das große Schlagwort, sie wollen über sich selbst bestimmen und sich nich von der Hauptstadt in ihre Angelegenheiten hereinreden lassen. Dies geht so weit, dass man sich für ein geringes Entgelt sogar einen eigenen Pass ausstellen lassen kann - natürlich nur als Spaß und ohne echte Funktion.
 
Das urbane Gebiet wird von staubigen Bergen vollkommen eingeschlossen. Über diese erheben sich drei aus der Stadt sichtbare verschneite Gipfel (nevados), namentilch Chachani (6.075m), Misti (5.597m) und Pichupichu (5.600m). Was es mit diesen Bergen so auf sich hat, werde ich nochmal genau im folgenden Blog-Eintrag beschreiben. Durch die Stadt schlängelt sich der stark verschmutze Río Chili, an vielen Mauern der Stadt werden die Bewohner dazu aufgefordert, gemeinsam gegen die Verschmutzung anzugehen, auch hier wird natürlich an den Regional- und Nationalstolz der Bewohner appelliert.

Plaza de Armas mit Kathedrale im Hintergrund

Von den inaktiven Vulkanen der Gegend (wie z.B. dem Misti) rührt auch der bildhafte Zweitname "die weißte Stadt" (ciudad blanca): Vor allem im Zentrum sind viele öffentliche Gebäude, Wohnhäuser und Kirchen aus weißem Vulkangestein errichtet; in manchen Vierteln wurde sogar ausschließlich dieses Material verwendet. Außerdem sieht man auch viel Granit in der Nähe des Hauptplatzes, der Plaza de Armas oder neuerdings Plaza Mayor (Einschub: In Peru wurden die Hauptplätze der Städte traditionell mit Plaza de Armas ("Waffenplatz") betitelt, so auch in Lima und Arequipa. Da dieser Name zunehmend als recht martialisch wahrgenommen wird, benennen die Städte die Plätze nach Vorbild Spaniens und des Restes Lateinarmerikas in "Plaza Mayor" ("Hauptplatz") um. An der Omnipräsenz von Kriegsdenkmälern und Heldenstatuen ändert dies allerdings nichts.)

Denkmal des Kriegshelden Francisco Bolognesi (in der Avenida Bolognesi)

Eine andere Erklärung für den Namenszusatz wäre die (laut Marcela historisch verankerte) relative Sauberkeit der Stadt; wo in Lima fast überall Müll herumliegt, sehen die Straßen in Arequipa tatsächlich aufgeräumt auf. Auch hier gibt es natürlich aufgerissene Müllsäcke und dreckige Stellen, aber der Gesamteindruck der Innenstadt ist deutlich besser. Auch die Straßenhunde sind hier besser ernährt. In manchen Ecken fühlt man sich ein bisschen wie in den winkeligen Gassen mediterraner Städte Europas.

Passage in der Innenstadt (hat etwas von der Winkelgasse, oder?)

 
Hervorzuheben ist auch das Klima hier: Deutlich abgesetzt vom Humboldtstrom, das das gesamte limensische Klima bestimmt, muss man sich auf ganz andere Bedingungen einstellen. Bei frischen Temperaturen von ca. 10°C tagsüber und ca. 0°C nachts herrscht eine extreme Trockenheit. Über die Temperaturen kann man als Deutscher ja gewissermaßen noch schmunzeln; während die Peruaner dick verpackt, mit Wollmütze und Handschuhen durch die Straßen bibbern ist man mit einem Pulli und einer Übergangsjacke ja super bedient. Für die Nacht gilt das aber nicht: Auch in Arequipa ist das Beheizen von Wohnräumen mehr als unüblich. Somit ist das Schlafen mit mehreren Decken und warmer Kleidung sowie Socken Pflicht. Und die Trockenheit ist furchtbar: Man trinkt und trinkt den ganzen Tag und hat trotzdem gelegentlich das Gefühl, bald zu einer Rosine zusammengezogen auf den staubigen Boden zu fallen. Das atmen kann schonmal schwer fallen, wenn die Luft sich auch noch mit Abgasen des Straßenverkehrs vermischt.

Überdachter Innenhof im Haus von Onkel Coco, inklusive Marienschrein

Was ich die ganze Zeit so getrieben habe? Leider hatte ich aus Lima eine Erkältung mitgebracht, die sich unter den andinen Bedingungen noch verschlimmert hat, daher hatte ich die ganze Zeit über mit einer gewissen Mattigkeit und Kopfschmerzen schwankender Intensität zu kämpfen. Nichtsdestotrotz habe ich am ersten Abend (Donnerstag) die Innenstadt mit Giarncarlo und Fabian erkundet. Gut ausgeschlafen sind wir dann am Freitag (nach der Ankunft Marcelas) in das Viertel Yanahuara gefahren. Dort habe ich die traditionalle Nachspeise Arequipas, eine Art Vanille-Milcheis mit Zimt (queso helado) probiert - sehr lecker! Außerdem habe ich mir eine Stadtkarte gekauft, um meine Orientierung zu verbessern. Danach sind wir zum Mittagessen in ein traditionelles Lokal (picantería) gegangen und haben dort charakteristische Speisen Arequipas gegessen: Mit Fleisch und Oliven gefüllte, überbackene Paprika (rocoto relleno), Kartoffelgratin (pastél de pápas) und eine Art Kasseler (lechón). Die Paprika hier ist sehr scharf, wird aber so zubereitet, dass man die Schärfe kaum schmeckt. Dachte ich zumindest. Als ich ganz friedlich meine komplette Paprika verputzt hatte und das letzte Stück (den Boden) aß, bedachte ich nicht, dass diesem die Schärfe nicht zu nehmen ist. Just in diesem Moment waren allerdings auch alle Getränke am Tisch leer...

Vorab schonmal ein Bild aus der Valle del Colca, weitere folgen :)

Im Anschluss haben wir dann noch die Tour zum Cañón de Colca im Reisebüro bezahlt und sind früh ins Bett gegangen; am Samstag würde uns schließlich der Reisebus bereits um 8:30 Uhr abholen. Der Ausflug war dermaßen beeindruckend, dass ich ihm einen eigenen Blog-Eintrag widmen möchte. Zurück kamen wir am Sonntag gegen 16:30 Uhr und nach einem kurzen Nickerchen sowie etwas extensiverer Nutzung der Sanitäreinrichtung gingen wir dann noch essen. Als Dankeschön luden wir unsere Gastgeber in eine Pizzaria ein. Auch das italienische Essen ist hier anders: Gerichte wie in Deutschland oder ähnliche Pizzabeläge finden sich spärlich auf der Speisekarte. So waren meine "Gnocci vier Käse" mit lokalen Käsesorten erstmal gewöhnunsbedürftig, aber dennoch lecker. Anschließend bin ich noch mit Marcela, Giancarlo und Fabian ins Kino gefahren und wir haben uns "ParaNorman" angeschaut - ein genialer und liebenswürdiger Film, nur leider hat er Fabi auch ein paar Alpträume beschert. Und noch etwas habe ich gelernt: Das Popcorn (auch canchita) ist hier standardmäßig gesalzen, nicht gezuckert. Da saß ich also und teilte mir einen großen Eimer salziges Popcorn mit Fabian. Wenigstens war der Film gut ;)

Lima und der Pazifik sind von oben unichtbar da stets vollkommen mit Nebel bedeckt

Und weiter geht's!

P.S.: Mittlerweile ist es 07:45 Uhr und das für 07:10 Uhr geplante Boarding scheint langsam zu beginnen. Die Hälfte der Passagiere steht bereits seit einer halben Stunde an der Tür des Gates an, wahrscheinlich um ihre vorreservierten Sitze möglichst bald warmsitzen zu können, denn es ist kalt. Eigentlich müssten die Peruaner es ja besser wissen xD

P.P.S: Im Flugzeug hatte ich das unverschätmte Glück, dass von 144 Plätzen vier leer blieben - und einer davon neben mir, obwohl der Flieger ausgebucht war :) Somit konnte ich zum Fenster aufrücken und bequem sitzen!

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